von World Of Rock
WOR: Corona hat die ganze Branche seit einem Jahr stillgelegt. Wie bist du damit umgegangen und wie geht es dir mit mittlerweile einem Jahr Bühnenentzug?
Philipp: Erstmal guten Tag nach Deutschland und im Optimalfall auch in den Rest dieser gerade echt verrückten Welt. Also sagen wir es so, wir können alles andere als jammern, weil wir wirklich gut beschäftigt, alle gesund, entspannt und im Grunde ohne große Sorgen sind. Ganz im Gegenteil, wir haben viel vor dieses Jahr und das tut immer gut. Aber eine Textzeile wie „verdammte Welt, bleibt wie du bist“, würde ich in diesen Tagen jetzt wahrscheinlich dennoch auch nicht gerade schreiben, dafür sind die Zeiten gerade wirklich etwas zu unsicher und zu turbulent. Wir alle hängen schon ziemlich in einem Karussell fest, nur will dieses Ding irgendwie nicht aufhören zu drehen, aber das wird schon. Jede Scheiße geht vorbei, daran glaube ich einfach.
WOR: Hast du die Corona Pause dazu genutzt das Album aufzunehmen, oder arbeitest du schon länger daran?
Philipp: Ich arbeite eigentlich schon seit Jahren dran, meine Bandkollegen haben sich auch schon mal das ein oder andere eigentlich für mich angedachte Lied „gekrallt“ und für Frei.Wild "ja schon besser passend“ erklärt (lacht). Was aber nicht schlimm ist, denn wenn das Album dann wirklich fertig für alle hörbar ist, wird man die jetzt viel autobiografischeren Inhalte, die nun mal den größten Unterschied zu Frei.Wild ausmachen, wirklich hören. Das war bei den ersten Songs, die ich teilweise schon vor 5-6 Jahren geschrieben habe, die jetzt aber anderweitig genutzt wurden, vielleicht so und in dieser Form, nicht gegeben.
WOR: An deinem 40. Geburtstag kam die Ankündigung für dein Soloprojekt raus. Hat es für dich einen besonderen Grund warum es an deinem 40. war?
Philipp: Ja, ich wurde vierzig, das reicht für alles (lacht). Nein, jetzt mal Spaß beiseite, ich wollte mir damit wirklich selbst ein Geschenk machen, mir, den Leuten die ich bei diesem Projekt dabeihabe und die schon so lange mit mir zusammenarbeiten. Ich dachte, es wäre jetzt genau der richtige Zeitpunkt, dieses schon lange vor mir hergeschobene Projekt zu vollenden und damit viele immer wieder kehrende Fragen zu meinem Leben beantworten. Auch für mich selber. Ich habe mir kurz vor meinem 40er eines vorgenommen. Die Zeiten, mich auch zukünftig für meine Jugend zu erklären, mich sogar zu rechtfertigen, sind nun allemal vorbei. Ich habe es schlichtweg satt und vor allem überhaupt nicht nötig. Meine Lieder oder vielleicht auch irgendwann mal ein Hörbuch oder Buch, wer weiß, vielleicht auch mal eine Reportage oder ein Film, sind der einzig richtige Weg, den ich fortan sehe. Die Infos werden aber unverzerrt sein, weil sie 100% von mir selbst ausgehen, oder von Freunde die selbst dabei waren. Von keiner nur allzu natürlichen Defensivhaltung heraus, die nun mal vorhanden ist, wenn man auf Anschuldigungen reagieren muss. Wie bei gefühlt 90% aller Interviews heraus geschehen ist. Ich bin Musiker, kein Politiker und schon gar kein Schwerverbrecher, wie manche mich für ihre Quote oder Headline präsentieren möchten. Lieder sagen mehr als Antworten auf Falltür- Interviewfragen, die gezielt darauf aufbauen, den nächsten Käse abzudrucken.
WOR: Wieso hast du so eine lange Zeitspanne zwischen Albumankündigung und Veröffentlichung gewählt? Ist ja wirklich unerträglich
Phillip: Nun ja, zum einen ist am Album noch viel zu machen und zum anderen, hat es auch mit der Veröffentlichungsplanung von Frei.Wild zu tun. Kurz und knapp, nur so war es sinnvoll. Hätte ich jetzt z.B. erst im September Geburtstag, wäre es sicher anders gekommen. Dann wäre die Wartezeit sicher viel kürzer.
WOR: Der Titel des Albums, ist Kontrollierte Anarchie und wahrscheinlich auch der Titelsong daraus? Wie dein Trailer darauf anspielt lässt du tief in dein Leben Einblicken. Willst du damit die Distanz zwischen Sänger und Fan schmälern?
Philipp: Ich denke, eine richtige Distanz gibt es gar nicht, auf Gefühlsebene sowieso nicht. Die Denkweisen, Erfahrungen, Meinungen, vielleicht auch begangenen Wege und Entscheidungen von Musikern, sind schließlich bei gefühlt den allermeisten Bands, die den Leim zwischen „Sender“ und „Empfänger“ ausmachen. Aber mal ehrlich, natürlich kann ich mir auch vorstellen, dass es 1000de Menschen gibt, die eine ähnliche, vielleicht auch gleiche Erfahrung in ihrem Leben gemacht haben. Nämlich einen Weg ihrer Jugend eingeschlagen zu haben, der damals zwar als der richtige schien und sicher auch lustig war, heute aber nicht mehr der Ihre wäre. Das liegt in der Natur der Jugend, die Grenzzäune um sich rum zumindest abzuklappern und gerne auch mal zu durchbrechen, Der Rest ist Zufall, es zählt einfach alles dazu, Umfeld, Begegnungen, Mädchen, Arbeits- Schulkollegen, Musik, vielleicht sogar auch einfach die Art derer, die einen dafür kritisieren. Von dem her glaube ich wirklich, dass es sich bei so ziemlich allen nicht schwerverbrecherischen Handlungen um „Wegfindungen“ und nicht um knallharte Jugendsünden handelt. Zudem sollten sich auch die Kläger und heute ach so „Heiligen“ fragen, ob sie denn überhaupt in der Position sind, auf andere zu zeigen, denn etwas Dreck am Stecken haben gefühlt alle, zumindest die, die ihr Leben intensiv gelebt haben.
WOR: Was genau können die Fans von dem Album erwarten. Eher wehmütige, ruhige Songs die auf die Vergangenheit zurückblicken oder Kracher die schnell nach vorne gehen?
Philipp: Beides, aber „Kontrolliere Anarchie“ ist schon eher treibend und nach vorne gehend. Ich sehe nicht mehr als 2 ruhige Nummern für mein Leben, soll ja auch irgendwo das ablichten, was mein Leben ausmacht. Dynamischer Stoff, so würde ich das nennen.
WOR: Mit den bisherigen Alben, die Frei.Wild rausgebracht hat, habt ihr Riesenerfolge gefeiert. Denkst du, du knüpfst mit dem Album an den Erfolgen an oder willst du mit dem Soloalbum etwas Anderes bezwecken?
Philipp: Natürlich freue ich mich auch über Erfolg, wer tut das nicht? Aber sagen wir es anders, ich hätte ein Riesenproblem, wenn sich mein Soloalbum besser als ein Frei.Wild Album verkaufen würde. Dann käme ich in Erklärungsnot bei Jonas, Föhre und Zegga (lacht). Aber ganz ehrlich, daran glaube ich nicht, und das nicht, weil es das Album nicht auch hergeben würde, Gold oder Platin einzufahren, ich glaube deshalb nicht dran, weil Frei.Wild einfach Frei.Wild ist, mit größerem Namen und mit einer viel längeren Geschichte. Frei.Wild zusammen ist einfach cooler als Philipp Burger alleine, schon alleine vom Namen her (lacht).
WOR: Wie gehen Jonas, Zegga und Föhre mit deinem Projekt um. Könnte man auch kritisch sehen?
Philipp: Sie könnten es kritische sehen, tun sie aber nicht, ganz im Gegenteil, sie unterstützen das Projekt total. Sie sehen das Album auch als Chance für Frei.Wild und sind hier auf demselben Dampfer wie ich, 20 Jahre „Philipp hat als Jugendlicher das oder das getan“ reichen. Wir können es uns echt leisten, und das ist das Glück des Älter Werdens, selbst zu bestimmen, welchem „Rotzlöffel“ wir Rede und Antwort stehen. Gesagt wurde alles, ernst genommen nur weniges. Von dem her, nach und mit diesem Album, wird vieles entspannter werden.
WOR: Philipp Burger Live, wann können wir damit rechnen? Vermutlich wegen immer noch Corona die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt.
Philipp: Genau (lacht)
WOR: Deine Leidenschaft als Landwirt und deine Liebe zur Natur sind bekannt. Gibt es auf dem Album auch volkstümliche Klänge?
Philipp: Warte mal, ich überlege kurz: NEIN! Es gibt aber Lieder die auch diese Inhalte filtern, ich denke die Leidenschaften eines Menschen, der sich dazu entschließt ein Soloalbum zu machen, sollten genauso Platz finden, wie auch die anderen Belange, die einen Menschen ausmachen. Natürlich könnte ich auch ein Lied darübermachen, dass ich gerne Pizza, Döner und Sushi esse, wirkliche Leidenschaft wäre das aber nicht. Fliegenfischen, Landwirtschaft, Reisen oder Handwerk sind aber solche, die ich in einem Song zusammengefasst habe. Ein übrigens sehr, sehr gelungener wie ich finde.
WOR: Oft sieht man Bilder von deinem Bauernhof, ist es für dich ein Ausgleich zum schnelllebigen Musikgeschäft?
Philipp: Ja, das ist es wirklich, ich verspürte seit vielen Jahren diese Sehnsucht, zurück zum Erdigen, zum Handwerk, vermehrt zur Natur, zurück zu kehren. Und dieser Sehnsucht folge ich wirklich total gerne. Es gibt mir total viel, vor allem endlich wieder einen etwas getakteten Tagesablauf mit dem abendlichen sichtbaren Gefühl, etwas geschafft zu haben.
WOR: Wie bekommst du das alles unter einen Hut? Musiker, Landwirt und Familienmensch? Eigentlich alles Dinge, die ein Vollzeitjob sind. Sind deine Tage länger wie bei anderen Menschen ☺?
Philipp: Nein, das sind sie nicht, aber ich hab’s halt eben drauf (lacht). Nein, ich glaube was viele nicht wissen ist, dass ich auch hier Menschen zur Seite habe, die mir helfen, denen ich vertraue und mit denen die Arbeit zusammen, einfach total Spaß und Freude macht. Es ist wie in der Musik, auch hier freue ich mich immer, etwas gemeinsam zu erreichen. Alleine was zu schaffen, ist nur halb so schön, wie gemeinsam. Für mich jedenfalls.
Das Album könnt Ihr seit dem 02.04.2021 unter folgendem Link vorbestellen.
https://www.halt-deine-schnauze.de/Vorverkauf/Kontrollierte-Anarchie:::70810_71409.html